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Feste, Feiern & Traditionen in Vietnam

Ein Land der Gegensätze und der kulturellen Überschneidungen – als solches präsentiert sich die Sozialistische Republik Vietnam. Und tatsächlich gehört sie zu den Staaten Südostasiens mit dem vielfältigsten Brauchtum und der ausgeprägtesten Festkultur.

Zwischen China und Indien: Vietnam als kulturelles Bindeglied

Der vietnamesische Reichtum an Traditionen, speist sich im Wesentlichen aus den mannigfachen Einflüssen der zwei benachbarten Kulturkreise Indiens und Chinas. Während im Süden des Landes insbesondere die in Indien verwurzelte Religion des Buddhismus das kulturelle Leben Vietnams prägte, stand der Norden der Republik hauptsächlich unter dem Einfluss der chinesischen Herrschaft. In den Jahren 800 v. Chr. bis etwa 200 n. Chr., prägte sich hier die Dong-Son-Kultur aus, die die Basis für nahezu das gesamte Brauchtum Nordvietnams schuf.

Das Tet-Fest: Jahreswende nach chinesischer Manier

So sind die hier zelebrierten Feste in der Regel chinesischen Ursprungs, wurden jedoch im Laufe der Zeit leicht abgewandelt und an die jeweiligen regionalen Gegebenheiten angepasst. Ein eindeutiges Indiz für den enormen Wirkungskreis der chinesischen Kultur, liefert das Tet-Fest, das chinesische Neujahrsfest. Es ist die wichtigste Feierlichkeit Vietnams, die das Land Ende Januar für eine Woche in einen absoluten Ausnahmezustand versetzt; Geschäfte und Restaurants bleiben geschlossen, im Ausland arbeitende Bürger der Republik zieht es in diesen Tagen in ihr Heimatland. Aus gutem Grund: In einem gigantischen Spektakel, wird mit Perkussionsinstrumenten und Feuerwerk lärmend das alte Jahr ausgetrieben, das in einem opulenten Neujahrsfestessen gipfelt. Die dargebotenen Speisen variieren dabei von Region zu Region, besonders oft vertreten ist jedoch der traditionelle Reiskuchen banh chung. Gemäß einer alten Sage des chinesischen Volksglaubens, erwacht in den Tagen der Jahreswende ein menschenfressendes Monster aus seinem tiefen Schlaf in den Bergen und sucht die Dörfer und Höfe heim, um seinen unbändigen Hunger zu stillen. Um sich vor diesem Ungeheuer zu schützen, dekorierten und schmückten die Vietnamesen Haus und Hof durchgehend in der Farbe Rot; sie gilt als glückverheißend und soll das „Jahresmonster“ fernhalten. Diese Tradition hat in weiten Teilen des Landes bis heute Bestand – Städte und Dörfer sind in jenen Tagen kaum wiederzuerkennen.

Trung Thu ist ein Fest der Kinder

Ein weiterer Meilenstein in der vietnamesischen Festkultur, ist das Trung Thu, das Mittherbstfest. Auch dieses wurzelt im chinesischen Brauchtum und findet somit am Vollmond des achten Mondmonats des chinesischen Kalenders statt, etwa zwischen Mitte und Ende September. Trung Thu bedeutet Herbstmitte und feiert die damals für die Bevölkerung lebenswichtige Hochkonjunktur der Reisernte. Dies geschieht mittels eines Laternenumzugs in der Dämmerung der Abendstunden, an welchem hauptsächlich Kinder teilnehmen, weshalb das Trung Thu auch als vietnamesisches Laternenfest bekannt ist. Ebenfalls zum Zuge, kommt die jüngere Generation bei den traditionellen Drachentänzen, die von Kindern in kunstvollen Kostümen aufgeführt werden. Dies soll ebenso Glück und Wohlstand symbolisieren, wie auch das Verbrennen von Spielgeld, das einen guten Ernteertrag und damit verbundenen Reichtum begünstigen soll. Üblicherweise serviert man während des Laternenfests den Bänh Trung Thu, eine Reisspeise, die auch als „Mondkuchen“ bekannt ist.

Der 15. Tag des Monats ist einer der höchsten buddhistischen Feiertage

Doch nicht nur Chinas kultureller Einfluss prägte weite Teile Vietnams, auch das benachbarte Indien, leistete seinen Beitrag zum heutigen Facettenreichtum der Festkultur des Landes. Denn obwohl in Vietnam eine Vielzahl unterschiedlichster Religionen – vom Katholizismus, über den Islam bis hin zu diversen Ahnenkulten – vertreten sind, ist der Buddhismus die am weitesten verbreitete Glaubensrichtung. So übernahmen viele Provinzen der Republik den wichtigsten aller buddhistischen Feiertage: Den 15. Tag des Monats, an welchem, laut Mondkalender, stets Vollmond sein soll. In dieser Nacht, so glaubt man in Vietnam, gehen die Geister um, weshalb die Menschen abends kleine Opfergaben vor die Tür stellen und Bonbons auf die Straße werfen, um von sich und den Ihrigen abzulenken und die umherwandelnden Gestalten zu besänftigen. Mancherorts werden auch hierbei Laternenfeste gefeiert; herausragend ist die Altstadt von Hoi An: Hier finden jeden Monat Laternenumzüge in den nächtlichen Straßen statt.

Eine gewisse Ähnlichkeit, weist das Trang Ngyen auf, besitzt jedoch kein religiöses Fundament. Ins Deutsche übertragen, bedeutet Trang Ngyen, „Tag der wandernden Seelen“. Nach westlichem Kalender, fällt dieser in den August; hier gedenkt man den Seelen der Toten, beschenkt diese mit Speisen und Kleidung und säubert die Gräber.

Feste, Feiern & Traditionen in Vietnam

Feste, Feiern & Traditionen in Vietnam ©TK

Ethnische Minderheiten bereichern Vietnams Kultur

Als Bindeglied zwischen dem chinesischen und indischen Kulturkreis, verfügt Vietnam somit über ein teilweise recht gegensätzliches Brauchtum und eine ausgesprochen facettenreiche Festkultur. Diese wird jedoch durch einen bevölkerungstechnischen Umstand zusätzlich bereichert: Vietnam besitzt etwa 54 ethnische Minderheiten, deren Kultur, Sprache und Religion im Wesentlichen von der Mainstream-Bevölkerung unabhängig sind und die dadurch uralte Riten und Bräuche über die Zeit hinweg konserviert haben.

Kate – das farbenfrohe Fest der Cham

Vor allem im Hochland Vietnams, neben den Rhade und den Ba Na, lebt das Volk der Cham, welches über einen enormen kulturellen Reichtum und ein ausgeprägtes Traditionsbewusstsein verfügt. Eine der populärsten Feierlichkeiten dieser ethnischen Minderheit, ist das Kate-Fest, welches am 1. Tag des 7. Monats des Kalenders der Cham zelebriert wird. Zwar dient es einerseits, um der Toten zu gedenken, andererseits, um den Heiligen, die die Cham als Schöpfer des Reichtums ihrer Kultur verehren, zu huldigen. Dieser erstreckt sich von monumentalen Tempeln bis hin zu charakteristischer Musik und traditionellen Tänzen. Letztere kommen während der drei Tage des Kate-Fests mannigfach zum Einsatz: Junge Frauen tanzen in prachtvollen und farbenfrohen Gewändern zu Ehren der Kultur ihres eigenen Volkes und werden dabei von traditionellen Musikinstrumenten, wie den Gi Mang-Trommeln und der Saranai-Trompete, begleitet. Zelebriert, wird das Kate-Fest in insgesamt drei Tempeln in der Provinz Ninh Thuan; hier findet es auch seinen krönenden Abschluss in einem üppigen Festmahl, bei welchem üblicherweise Ziegenfleisch, Huhn-und Reisgerichte sowie Wein und Früchte gespeist werden.

Ok Om Bok Festival: Fliegende Papierlaternen zu Ehren der Mondgöttin

Einen ähnlich hohen Stellenwert unter den ethnischen Minderheiten Vietnams, hat das Volk der Khmer. Diese bevölkern das Mekong-Delta, hauptsächlich in der Nähe der Grenze zu Kambodscha; hier findet, in der Hauptstadt der gleichnamigen Provinz Soc Trang, eine der berühmtesten Feierlichkeiten der Khmer statt: Das Ok Om Bok Festival lockt nicht nur jährlich unzählige Anhänger jener Volksgruppe; auch für Touristen markiert es mittlerweile ein beliebtes Highlight einer Reise nach Vietnam. Das Festival findet jährlich im November statt, nach dem hier gültigen Kalender der Khmer, am Vollmond des 11. Mondmonats. Die Khmer widmeten dieses Fest ursprünglich dem Mond bzw. der Mondgöttin und erbaten bei ihr eine reichliche Reisernte sowie gute Fischereierträge. Ihr zu Ehren, werden in den Tempeln Opfer gebracht und anschließend kleine Leuchtsignale in den nächtlichen Himmel geschickt; hier entstand der mittlerweile auch in Europa etablierte Brauch der fliegenden Papierlaternen. Den Höhepunkt des Festivals, bilden jedoch das beliebte Drachenboot-Rennen auf dem Long Binh, was vor allem für Besucher eine seltene Attraktion darstellt, genauso wie die musikalischen und tänzerischen Einlagen Angehöriger des Volkes der Khmer.
Zwar finden im Mekong-Delta noch zahlreiche weitere Festlichkeiten, um der Mondgöttin zu huldigen, statt, doch ist das Ok Om Bok Festival das bekannteste und größte seiner Art, was die Stadt Soc Trang zur unumstrittenen Hochburg der Kultur der Khmer erhebt.

Vietnams Kultur hält sich trotz Globalisierung die Treue

Doch auch vor Vietnam machen die Auswirkungen der Globalisierung nicht Halt: Bereits die französische Kolonialherrschaft brachte Einflüsse des mitteleuropäischen Kulturkreises mit sich. Heute haben sich mittlerweile weitere westliche Traditionen in Vietnam manifestiert: Weder der Valentinstag, noch Ostern oder Weihnachten sind den Vietnamesen unbekannt. Dennoch beeinflussen diese „Neuzugänge“ die oftmals jahrhunderte-bzw. jahrtausendealten Werte der vietnamesischen Kultur nicht im Geringsten. Die Republik kann auf ein gefestigtes Brauchtum und eine gut erhaltene Festkultur blicken, die nicht zuletzt dank der vielen ethnischen Minderheiten mit ausgeprägtem Traditionsbewusstsein, auch in Zeiten der Interkulturalität, erhalten geblieben ist.

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