Ben Tre
Nur etwa zwei Autostunden südlich von Ho-Chi-Minh-Stadt zeigt sich Vietnam von einer ganz anderen Seite. Obwohl ein Besuch im Mekong-Delta zum Pflichtprogramm eines Vietnam-Reisenden gehört, folgen die Touristenströme in der Regel den großen Verkehrsadern durch die fruchtbarste Region des Landes. Nur wenige kennen Orte wie Ben Tre, die nicht nur Geschichte geschrieben haben, sondern auch heute noch die Besucher in ein ganz anderes Vietnam entführen: Eines, das mit entspannter Ruhe und Gelassenheit anstatt brodelnder Hektik glänzt.
Die Provinz Ben Tre
Aufgrund der kurzen Entfernung von 90 Kilometern nach Ho-Chi-Minh-Stadt nutzen vor allem Einheimische die Feiertage für einen Ausflug ins Delta, auch nach Ben Tre. Die Provinz liegt zwischen zwei Seitenarmen des Mekong und erstreckt sich über drei große Inseln. Im Norden ist die Provinz durch den Tien-Fluss vom Festland abgeschnitten; seit 2009 verbindet die Rach Mieu-Brücke die Inseln mit dem Festland nahe der Stadt My Tho. Im Osten grenzt die Provinz unmittelbar an das Südchinesische Meer und im Süden trennt der Co Chien-Fluss die Eilande vom Festland. Mitten durch die gleichnamige Provinzhauptstadt Ben Tre verläuft der Fluss Ham Luong.
Wer weiter nach Süden reisen möchte, muss entweder umkehren oder mittels Boot oder Fähre zurück auf das Festland. Dies ist auch der Grund, warum sich nicht sehr viele Besucher in diese Gegend verirren.
Ben Tre ist eine von dreizehn Provinzen im Mekong-Delta und besteht aus acht Distrikten. Auf einer Fläche von etwas mehr als 2000 km² leben rund 1,5 Millionen Menschen, und die Bevölkerung besteht größtenteils aus Vietnamesen und Khmer sowie den ethnischen Minderheiten Hoa und Tay.
Ein Netz aus Wasserwegen durchzieht die Inseln im Mekong und garantiert beste Ernteerträge und ermöglicht eine dreimalige Reisernte im Jahr. Doch neben dem Reis zählen auch Obst, Kokosnüsse und Blumen zu den Hauptexportprodukten. Allerdings ist die Region anfällig für Überschwemmungen, da die Provinz nur durchschnittlich 1,25 Meter über dem Meeresspiegel liegt. Steigt der Meeresspiegel durch die Erderwärmung um nur einen Meter, würden mehr als 50 % der Fläche dem Klimawandel zum Opfer fallen.
Die Stadt Ben Tre
Im Gegensatz zum übrigen Delta geht es in der malerischen Stadt eher beschaulich und ruhig zu – es herrscht fast schon eine Art Kleinstadtidylle – doch das war nicht immer so. Ben Tre ging in die Geschichte ein als die Stadt, die während des Vietnamkrieges zerstört werden musste, um gerettet werden zu können. Heute ist davon nichts mehr zu sehen, und die 160.000 Einwohner der Stadt denken nicht mehr an diese Zeit zurück.
Durch die geografische Lage, abseits der Hauptverkehrswege, steht die kleine Stadt nicht nur einen Schritt hinter der Entwicklung der Nachbarstadt My Tho, sondern auch immer noch hinter der Entwicklung des gesamten Deltas. Was zunächst als Nachteil erscheint, könnte sich langfristig betrachtet für die Provinz Ben Tre auszahlen. Denn die Verantwortlichen setzen auf Öko-Tourismus. Wo ginge das besser, als dort, wo eine unberührte Natur noch erhalten ist?
Die geschichtlichen Hintergründe
Am 26. September 1959 leitete eine der bekanntesten vietnamesischen Revolutionsführerinnen, Nguyen Thi Dinh, die erste große Vietcong-Aktion gegen das südvietnamesische Regime. Einige Historiker sehen dies als Beginn des Vietnamkrieges an.
1968, während der landesweiten Tet-Offensive, wurde Ben Tre erneut Schauplatz kriegerischer Auseinandersetzungen: Die Vietcong hatten Ben Tre eingenommen. Die Amerikaner kämpften zu dieser Zeit an vielen Fronten und wollten nicht von den Vietcong überrannt werden. Deshalb startete die Infanterie einen Angriff und wurde in heftige Nahkämpfe verwickelt. Zur Unterstützung starteten die Amerikaner Luftangriffe, und zusammen mit der Artillerie zerstörten sie dabei mehr als die Hälfte der Häuser der Stadt. Die Stadt wurde zwar zurückerobert, doch um welchen Preis? Die Opferzahl aus Soldaten und Zivilisten war nach wenigen Kampftagen bereits unvorstellbar hoch, so dass beide Seiten die Kampfhandlungen einstellten. Die Straßen waren voller Leichen; um eine Seuche zu verhindern, entsorgte man die Getöteten im Fluss. Augenzeugen berichteten, dass man beinahe über das Wasser laufen konnte, so sehr war dieser mit Leichen bedeckt.
Während dieser fürchterlichen Kriegstage zitierte der neuseeländische Journalist Peter Arnett eine unbekannte militärische Quelle mit den Worten: „Um die Stadt zu retten, war es notwendig, sie zu zerstören.“ Dieser Satz sorgte für erheblichen Zündstoff und Diskussionen in der Öffentlichkeit über den Sinn des Vietnamkrieges. Der Ausspruch war kennzeichnend für die Denkweise der westlichen Mächte und ihrer Unterstützer während des Kalten Krieges. „Lieber tot als rot“ war das Motto. Heute steht in Ben Tre ein Denkmal zu Ehren der Vietcong-Märtyrer, die diesem Massaker zum Opfer fielen.
Was macht die Region so einzigartig?
Ben Tre gilt als die Kokosnuss-Metropole Vietnams. Hier wachsen so viele verschiedene Arten von Kokosnüssen wie sonst nirgends im Land. Alles was bei der Kokosnussproduktion anfällt, wird zu 100 % verwertet, sei es zum Verzehr, für Wellnessprodukte, für Handwerkskunst, als vielseitigen Rohstoff zur Weiterverarbeitung in der Industrie sowie als Brennmaterial bei der Ziegelherstellung.
Bekannt ist die Provinz in erster Linie wegen der Herstellung der Kokosnussbonbons Keo Dua in allen Variationen – Besucher lieben diese lokale Köstlichkeit, die in kleinen Bonbonfabriken hergestellt wird. In der Regel rühren Frauen die klebrige Masse in großen Kesseln an. Diese wird anschließend ausgerollt, in Stücke geschnitten und schließlich für den Verkauf in Papier eingewickelt. Doch auch sonst trifft man überall auf die verschiedensten Handwerkszweige, die sich mit der Verarbeitung der Kokosnuss beschäftigen.
Seit dem Bau der Rach Mieu-Brücke erwartet man auch einen Aufschwung des Tourismus und rüstet sich entsprechend. Es entstehen neue Hotels, und Veranstaltungen wie das Coconut-Festival sollen der Provinz zu nationaler Bekanntheit verhelfen und den Tourismus weiter ankurbeln.
Was kann man in der Gegend unternehmen?
Die kleine und saubere Stadt hat nicht besonders viele Sehenswürdigkeiten zu bieten, doch dafür eine Menge an Ruhe und Entspannung, abseits der Touristenströme – ideal am Ende einer Reise durch das umtriebige Vietnam.
Zu Wasser und zu Land
Reis-, Obst- und Kokosnuss-Plantagen säumen die schmalen, endlosen, schattigen Bewässerungskanäle und spenden angenehme Kühle während einer Sampanfahrt. Ansonsten kommen Besucher in der Stadt auch ohne Transportmittel gut zurecht. Lohnenswert ist ein Spaziergang an der Uferpromenade entlang der alten Villen. Der Stadtteil auf der anderen Seite des Flusses ist weniger gut erschlossen, aber ebenfalls einfach zu Fuß zu erkunden. Nach einem ausgedehnten Spaziergang gibt es im etwas westlich der Stadt gelegenen Ben Tre Hotel & Restaurant Balsam für die Seele. Dort lässt es sich herrlich bei einer Massage entspannen. Außerdem besitzt das Hotel einen Swimmingpool.
Die wunderschöne Landschaft spricht Bände und lädt zu ausgedehnten Spazierfahrten und Wanderungen ein. Perfekt für eine Fahrradtour aufgrund der flachen Region. Landschaftlich besonders reizvoll ist eine Fahrradtour von Ben Tre über einen schmalen Pfad im Schatten von Kokospalmen nach Mo Cay und Tra Vinh bis nach Can Tho auf dem Festland.
Für die Erkundung der Umgebung zu Wasser lassen sich Boote stundenweise beim öffentlichen Pier in der Nähe des Marktes mieten. Dabei sollte man mit etwa 70 – 100.000 Dong pro Stunde kalkulieren.
Aber auch die Stadt hat ein paar schöne Ecken zu bieten. Der Markt eignet sich hervorragend für einen Bummel. Es gibt frischen Fisch, verschiedene Reissorten und vor allem das leckere Obst aus der Region zu kaufen.
Essen und Trinken in Ben Tre
Umgeben ist der Markt von unzähligen Essensständen, die günstig lokale Speisen schmackhaft zubereiten. Für den Kaffee zwischendurch oder ein kühles Getränk eignet sich ein Abstecher an das mit Cafés gesäumte Nordufer des nahe gelegenen, kleinen Truc Giang-Sees.
Beliebte Restaurants bei Touristen und Einheimischen
Das Noi Ben Tre ist ein Restaurant an Bord eines mehrstöckigen Kahns, der im Ort vor Anker liegt, und sich vor allem am Abend aufgrund einer angenehm kühlen Brise bei Besuchern großer Beliebtheit erfreut. Die englische Speisekarte überrascht mit einem umfangreichen Angebot an vietnamesischen Speisen, wie beispielsweise Frosch in Zitronengras, würzige Garnelensalate, aber auch Gerichte mit Huhn, Schwein oder Fisch. Dagegen ist das zentral gelegene Nam Son vor allem wegen dem gegrillten Huhn und Bier vom Fass bei den Einheimischen sehr beliebt.
Darüber hinaus bietet die Stadt einige Hotels, Banken, eine Post, das Nguyen Dinh Chieu General Hospital sowie Internet-Cafés. Für Ausflüge in die Umgebung gibt es Tourveranstalter; Ben Tre Tourist ist einer davon.
Sehenswürdigkeiten in Ben Tre
Vien Minh-Pagode (Chua Vien Minh)
Östlich des großen Kreisverkehrs befindet sich in der Nguyen Trai-Straße eine der wenigen Sehenswürdigkeiten des Ortes. Bereits von weitem ist das ockerfarbene Zentrum der Buddhisten erkennbar. Im Garten der Ende der 1950-er Jahre restaurierten Vien Minh-Pagode befinden sich eine große weiße Buddha-Statue und eine der Göttin der Barmherzigkeit. Die chinesische Kalligrafie im Inneren stammt von einem der ersten Mönche im Tempel. Früher stand an gleicher Stelle ein Holzschrein, der dem Neubau weichen musste. Geöffnet ist der Tempel von 7 bis 11 Uhr und von 13 bis 21 Uhr.
Ben Tre-Museum (Bao Tang Ben Tre)
Die renovierte Villa mit hellem Anstrich und einem ziegelroten Dach befindet sich in einem Park mit riesigen Bäumen in der Hung Vuong-Straße. Das Museum ist morgens von 8 bis 11 Uhr geöffnet und am Nachmittag von 13 bis 17 Uhr. Die Ausstellung zeigt Fotos aus dem Vietnamkrieg und ebenso alte, rostige Waffen. Zum besseren Verständnis sind die Erklärungen auch in englischer Sprache, allerdings nur im ersten Bereich. Der hintere Bereich enthält Artefakte von Ausgrabungen.
An Fotomotiven mangelt es in der Stadt wahrlich nicht. Es gibt noch das eine oder andere Denkmal zu sehen.
Touren in die Umgebung von Ben Tre:
Ben Tre Tourist in der Dong Khoi hat verschiedene Touren im Angebot, auch die beliebten Fahrradtouren in die Umgebung. Dabei werden Handwerksdörfer oder Honigfarmen angesteuert. Die Teilnehmer erhalten Einblicke in die Herstellung von Reispapier und Kokosbonbons. In Kombination mit einer Übernachtung in einem sogenannten Homestay kann man einen Blick in das Leben der Mekong-Anwohner werfen. Wer lieber auf eigene Faust zu den Guaven-, Grapefruit- und Kokosnussplantagen loszieht, leiht sich einen Stahlesel stunden- oder tageweise. Auch Motor- und Schnellboote können hier gemietet werden.
Am bekanntesten sind jedoch die Touren auf die Insel des Kokosnuss-Mönches. Da Ben Tre Tourist der exklusive Anbieter dorthin ist, spiegelt sich das in einem höheren Preis wider. Am günstigsten und schnellsten erreicht man die Phönixinsel mit einem angemieteten Boot von My Tho aus.
Kokosnuss-Mönch (Ong Dao Dua)
Nicht weit von Ben Tre entfernt finden sich die Überreste einiger seltsam aussehender Sakralbauten des Kokosnuss-Mönchs an der Ostspitze der Phönixinsel.
Der 1909 geborene Nguyen Thanh Nam lebte von 1928 bis 1935 in Frankreich und studierte Chemie und Physik. Dort kam er erstmals in Kontakt mit dem Christentum. Als er wieder nach Vietnam zurückkehrte, heiratete er und bekam eine Tochter. Er meditierte häufig und zog sich 1945 schließlich für drei Jahre auf den heiligen Sam-Berg bei Chau Doc zurück, um Mönch zu werden. Dort soll er unter einem Flaggenmast auf einer Steinplatte sitzend rund um die Uhr meditiert haben. Angeblich hat er sich während dieser Zeit ausschließlich von Kokosnüssen ernährt, was ihn zu einer Art Erleuchtung geführt haben soll. Andere Quellen behaupten, er hätte nur von Obst, Gemüse und Kokoswasser gelebt. Im Anschluss gründete er die neue Religion Tinh Do Cu Si, die sich auf Elemente des Buddhismus und des Christentums stützte. So wurde das Kreuz neben buddhistischen Symbolen gezeigt und die Muttergottes neben buddhistischen Frauen. Jesus und Buddha wurden ebenfalls zusammen dargestellt. Er errichtete ein kleines Kloster unter freiem Himmel auf der Insel Con Phung nahe der Stadt My Tho.
Nguyen Thanh Nam wusste Aufmerksamkeit zu erregen und gestaltete die Anlage mit eigenartigen Sakralbauten, die eher an einen Kirmesplatz erinnern als an einen Tempel. Der Aufzug zu seiner Meditationsplattform ähnelte der Form einer Apollo-Weltraumkapsel. Einige westliche Journalisten kamen während des Vietnamkrieges auf die Insel und nahmen dort eine Auszeit. Doch dem südvietnamesischen Regime war Nguyen Thanh Nam mit seinen Friedensbestrebungen nach einem vereinten Land immer suspekt. Er wurde häufig inhaftiert und nach dem Krieg wurde er durch die Kommunisten verfolgt. Als er 1990 verstarb, löste sich die Gemeinde auf und das Kloster verfiel. Teile wurden mittlerweile restauriert und dienen als surreale Attraktion.
Sehenswertes in der Region Ben Tre
Cai Mon
Das Dorf Cai Mon befindet sich 10 Kilometer westlich der Stadt Ben Tre. Cai Mon ist bekannt für die Kunst der ornamentalen Gestaltung von Gärten. Die Lehre wird innerhalb der Familie von den Vätern an die Söhne weitergegeben. Die Bonsaigärten sind in ganz Südostasien bekannt; von hier werden Blumen in alle südostasiatischen Ländern exportiert.
Absolut sehenswert sind die unzähligen Kirchen und Kathedralen in der Region, die durch eine schöne Fassade und außergewöhnliche Architektur auffallen. In Cai Mon ähnelt der Glockenturm der Kathedrale beinahe einem Minarett.
Vogelschutzgebiet Vam Ho
In der Gemeinde My Hoa liegt das Vogelschutzgebiet Vam Ho, etwa 45 Kilometer östlich von Ben Tre. Auf mehr als 40 ha, inmitten der Mangrovenwälder, leben Tausende Störche und Reiher. Besonders beeindruckend ist das Schauspiel nachmittags zwischen 16 und 17 Uhr, wenn die Störche von ihren Flügen zurückkehren und sich die Bäume weiß färben. Das ist das Startsignal zur abendlichen Futtersuche der ausschwärmenden Reiher. Darüber hinaus lassen sich hier Fledermäuse, Schlangen und andere Wildtiere beobachten.
Nguyen Dinh Chieu-Pagode
Etwa 35 Kilometer südöstlich von Ben Tre befindet sich die Nguyen Dinh Chieu-Pagode. Kurz vor der Ortschaft Ba Tri zweigt ein Weg nach rechts ab. Der Tempel hat einen typisch chinesischen Architekturstil mit mehreren Tempeldächern. Zu beachten ist, dass der Tempel über Mittag geschlossen ist. Die Einheimischen kommen vor allem an Feiertagen hierher.
Anreise nach Ben Tre
Die neue Busstation befindet sich etwa 5 Kilometer nordöstlich des Stadtzentrums. Mit einem Xe om gelangt man für rund 30.000 Dong dorthin. Busse starten von hier aus in alle großen Städte des Deltas.